Die DGbV fordert gesetzlichen Anspruch auf Förderung von Patientenkompetenz

Denn bürgerorientiertes Versorgungsmanagement im Gesundheitswesen nützt allen

 

Zu den wesentlichen Voraussetzungen für gute gesundheitliche Ergebnisse (Outcomes) gehören einerseits auf der Leistungsseite eine bedarfs- und bedürfnisgerechte medizinische Infrastruktur (Strukturqualität) sowie eine adäquate Prozessqualität, andererseits bei den Versicherten und Patienten die Befähigung (Empowerment), die Angebote des Systems sinnvoll zu nutzen und Verantwortung für die Erreichung der eigenen Gesundheitsziele zu übernehmen. Entsprechend legt der § 1 im SGB V fest:

 

„Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.“

 

Welchen immensen Einfluss das Patientenverhalten nicht nur auf die Gesundheit sondern auch auf wirtschaftliche Ergebnisse hat, wurde erneut durch die Ergebnisse einer 2012 veröffentlichten Studie von Booz und Bertelsmann verdeutlicht, nämlich dass eine bessere Therapietreue von Patienten mit chronischen Erkrankungen helfen würde, Ausgaben und Produktionsausfälle in Höhe von insgesamt 38 bis 75 Milliarden Euro in Deutschland pro Jahr zu vermeiden. Allein für die Wirtschaft ließen sich mit einer optimierten Therapiebegleitung der Patienten bis zu 20 Milliarden Euro unnötige Kosten einsparen. 1

 

Wie erlangen Patienten mit verhaltensabhängigen Krankheitsverläufen die Befähigung zur einer aktiven Rolle bei der Krankheitsbewältigung und zum informierten gesundheitlichen Selbstmanagement? Wie und wo finden die Patientinnen/Patienten, was sie brauchen? Wie vermeiden sie Irrwege im System? Wie können sie sich im komplexen und unübersichtlichen Gesundheitswesen orientieren?

 

Der Sachverständigenrat hat in seinem Sondergutachten 2012 angeregt, die Patientenbildung und Patientenedukation zu verbessern. Er empfiehlt deshalb, die Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte und didaktischer Strategien zu befördern. Denn trotz entgegengesetzter Proklamation basiere Patientenbildung vielfach noch auf herkömmlichen Strategien der "Schulung", also der Aufklärung und Wissensvermittlung und schenke der Kompetenzförderung, also der Vermittlung von (Problemlösungs)-Fähigkeiten und Fertigkeiten zum eigenverantwortlichen Umgang mit Gesundheit und Krankheit, zur Selbstmanagementförderung und zum Empowerment zu wenig Beachtung.

 

Viele Konzepte würden zudem vornehmlich der Outsider-/Expertenperspektive folgen und der Patientenperspektive und den sich aus Sicht der Erkrankten stellenden Problemen zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Ähnliches gelte für Erkenntnisse darüber, in welchen Phasen des Krankheitsverlaufs welche Interventionsart angezeigt ist, wann etwa Patienten und Nutzer aufnahmebereit für Information sind, wann sie für Bildung und Edukationsangebote aufgeschlossen sind und in welchen Phasen sie eher protektive Unterstützungsstrategien benötigen. Schließlich bedürfe es intensiverer Beachtung, dass ressourcenschwache Patientengruppen neben Information und Bildung ergänzend Begleitung, Coaching und Case Management benötigen. 2

 

Die Vision und Mission der Deutschen Gesellschaft für bürgerorientiertes Versorgungsmanagement (siehe Kasten auf der Startseite) setzt auch auf die Rolle der Bürger als Versicherte und Patienten und zeigt Lösungsschritte auf: Sichtweisen verändern – informieren – befähigen – beteiligen.

 

Damit die Versicherten ihre im SGB V geforderte gesundheitliche Mitverantwortung wahrnehmen können, müssen sie zunächst die Fähigkeit dazu erlangen. Deshalb sollte für sie ein gesetzlich garantiertes Recht auf entsprechende Hilfen wie zum Beispiel Patientencoaching eingeführt werden. Die DGbV fordert deshalb, einen solchen Rechtsanspruch im Sozialgesetzbuch zu verankern.

 

Denn ein bürgerorientiertes Versorgungsmanagement im Gesundheitswesen nützt letztlich allen: Patienten, Versicherten, Leistungserbringern, Krankenkassen, Industrie, Dienstleistern und nicht zuletzt der Volkswirtschaft.

 

 

Quellen:

 

  1. Booz&Company/Bertelsmann-Stiftung (2012): Effekte einer gesteigerten Therapietreue - Bessere Gesundheit und höhere Arbeitsproduktivität durch nachhaltige Änderung des Patientenverhaltens
  1. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: 3.3 Stärkung der Nutzerkompetenz als Voraussetzung eines zielführenden Wettbewerbs. In SVR-Sondergutachten 2012: Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung (Kurzfassung Seite 45 ff)

 

 

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